[Leseprobe]
 
#1: Ulrike Stoltz: Um was geht’s hier? Ein Editorial
… Mit jeder Nummer dieser Zeitung wird ein Essay zur Diskussion gestellt, auf Deutsch und auf Englisch. Die Themen bewegen sich rund um’s Buch, wobei das Künstlerbuch eine besondere Rolle spielen wird. Wir beide sehen dabei immer auf das Medium als Ganzes, die Grenzen zwischen den verschiedenen Kategorien sind fließend, sie laufen längst woanders. Beide blicken wir jetzt auf fast 30 Jahre Arbeit mit und am Buch zurück: als Gestalterin, Typografin, Künstlerin, als Lehrende, Vortragende, Vermittelnde, Organisierende, Schreibende und Bilder Machende sind wir dem Buch verbunden. Wir haben etwas dazu zu sagen. …
 
#2: Ulrike Stoltz: Das Buch! — Welches Buch?
… Das ungewöhnliche Buch kann sich in allen diesen oder auch nur in einigen Punkten vom gewöhnlichen Buch unterscheiden. Häufig erscheint es außerhalb der (großen) Verlage, oft in sogenannten Selbstverlagen. Es ist in seinen Inhalten nicht festgelegt; gleichwohl finden sich kaum Schulbücher, Lehrbücher, Ratgeber oder klassische wissenschaftliche Bücher darunter. Relativ häufig sind literarische Formen, weiterhin kritische Fragestellungen, die einen Inhalt in transdisziplinärer Weise erkunden, und essayistische Formen, die Text und Bild gleichwertig und einander ergänzend vorstellen. Es wird häufig mit handwerklichen Mitteln in kleineren bis kleinsten Auflagen produziert. Häufig sind Verleger, Produzent, Autor und Künstler eine Person. Interessanterweise knüpfen damit die heutigen ungewöhnlichen Bücher an die Frühzeit des Buches wieder an. …
 
#3: Ulrike Stoltz: Kategorien & Bestandteile
… Nun werde ich, wenn ich an einem Buch arbeite, nicht schon daran denken, wie es kategorisiert werden könnte, und ich glaube, niemand unter den Buchkünstler*innen, die ich kenne, tut das. Für mich als Praktizierende sind die vorgestellten Kategorien aber aus einem ganz anderen Grund interessant: Sie können eine Inspirationsquelle sein. Das trifft insbesondere für die Bilder zu, die Dominique Moldehn entwickelt. Zum Teil können die ­Kategorien auch als eine Liste von Einflussfaktoren oder Variablen gelesen werden, vergleichbar mit typografischen Variablen wie Schriftschnitt, Schriftgröße, Zeilenabstand, Laufweite, Satzbreite. …
 
#4: Ulrike Stoltz: Einige Bemerkungen über Texte im Künstlerbuch
… Ich setze eine Linie auf das Papier, ich setze ein Wort. Auf die weiße Fläche ist damit ein Akzent gesetzt, der ausstrahlt und Folgen hat. In beiden Medien schicke ich die ersten Ergebnisse im allgemeinen durch eine Art von «Transformations­maschine» (oder mehrere). Im Sprachlichen können das grammatikalische Varianten sein, und natürlich sind die Verfahren der Dadaisten und der Gruppe Oulipo eine Inspirations­quelle. Es handelt sich dabei immer um Verfahren der Übersetzung, ganz im Sinn von Etel Adnan. …
 
#5: Ulrike Stoltz: Individualität, oder: Wie Buchunikate entstehen können
… Die gedruckte Seite stellte früher das «Endprodukt» dar, etwas, das man als «fertig» bezeichnen konnte, wenigstens in diesem Moment. (Natürlich gab es immer die Möglichkeit einer zweiten, durchgesehenen, erweiterten Auflage, usw.) Die gedruckte Seite war ein Fakt, ein Fixpunkt im Fluss der Zeit. Der Aus-Druck ist jetzt nur ein Schnappschuss eines Zustands, der sich in der nächsten Sekunde schon geändert haben kann. In diesem Sinne könnte man sagen: Das Unikat-Buch ist die Momentaufnahme einer künstlerischen Idee. Aber dann stellt sich die Frage: Wie arbeitsintensiv ist das Unikat? Und, andererseits, wie spontan? …
 
#6: Ulrike Stoltz: Visueller Jazz. Einige Bemerkungen über die gemeinsame Arbeit an Künstlerbüchern
… Im Verlauf des Abends kamen zehn Spieler*innen zusammen. Nicht jede*r blieb die ganze Zeit, manche kamen später, andere gingen früher. Und «Spieler» scheint das passende Wort: Wie Musiker*innen waren wir zum Spielen, zum Improvisieren, zusammengekommen, nicht um ein Lied zu spielen, sondern um Bücher zu machen. Die Australier*innen waren miteinander vertraut, aber sie kannten uns nicht, wir kannten sie nicht — was alles keine Rolle spielte. Wir waren alle bereit, aufeinander zu achten, die Arbeit der jeweils anderen anzunehmen, wie auch immer sie sein würde, die Spuren, die jemand auf dem Papier hinterlassen hatte, zu respektieren, sie als Vorschläge wahrzunehmen, fortzusetzen, zu verändern, einen Gegenpol zu errichten, eine Geschichte daraus zu entwickeln. …
 
#7: Viola Hildebrand-Schat: Künstlerbuch digital
… Weitere Möglichkeiten sind Hypertextfunktionen, die neben Text auch bei Bildern zum Einsatz kommen. So kann der Betrachter etwa über eine bestimmte Stelle im Bild tiefer in die Szene eindringen oder auch zu einer gänzlich anderen wechseln. Da solche Verlinkungen tendenziell an jeder Stelle liegen können, sind sowohl die sich eröffnenden Räume wie auch die Bewegung durch den Buchkörper unendlich. …
 
#8: Uta Schneider: Schrift Satz Bild
… Welche Rolle spielt Schrift in Künstlerbüchern? Geht es darum, die Regeln der Lesetypografie anzuwenden? Eher nicht. Wenn das Medium Buch als künstlerische Ausdrucksform — auch jenseits gewöhnlicher Seh- und Leseweisen — genutzt wird, steht dem experimentellen Umgang mit Text, oder besser: mit Schrift und Typografie, eigentlich nichts im Weg. […] Wird dabei mit Typo­grafie so frei umgegangen wie mit der Bildform? Um als Ausdruck der künstlerischen Intention mhern scheint das Bild gegenüber dem Text zu dominieren. Und noch seltener sind jene Bücher, in denen ausschließlich mit typografischen Mitteln gearbeitet wurde. …
 
#9: Ulrike Stoltz: Bookworks — A women’s perspective
… Ende des 19. Jahrhunderts begann die Situation sich zu ändern, und als 1914 die BUGRA (Weltausstellung für Buchgewerbe und Grafik) eröffnet wurde, gab es auf dem Messegelände in Leipzig einen eigenen Pavillon für die Errungenschaften der Frauen auf diesem Gebiet. Zu diesem Haus der Frau erschien ein eigener Katalog. Er listet jedes Ausstellungsstück auf, nennt alle Ausstellerinnen mit ihren Adressen, erwähnt auch ­alle Frauen, die sich in den verschiedenen Organisationskommittees engagierten, enthält aber, außer einem Grundriß und ­einer Fotografie des Hauses keinerlei Abbildungen. …
 
#10: Uta Schneider: freie verbindungen
… Reflexiv erforschen wir jene Anteile in uns, die wir nicht kennen: Sie werden durch Resonanz ausgelöst und kommen durch das kollaborative Arbeiten überhaupt erst zum Klingen. Es ist, als würde ein neuer Raum geöffnet, wenn zwei gemeinsam arbeiten. Solitäres Arbeiten klingt immer anders als gemeinsames. Nicht nur die Persönlichkeit und Tagesform einer Person sind ausschlaggebend dafür, welche Richtung die Arbeit nimmt. Wie gehen wir heute miteinander um? Ist die eine lauter, aktiver, vielleicht schneller als die andere? Lässt die andere sich davon irritieren, wehrt ab? Oder kann sie den Impuls aufgreifen und ihr eigenes Timbre hinzufügen? Je mehr ich bei mir bin, umso mehr kann ich mich auf das Gemeinsame einlassen. …
 
#11: Patrizia Meinert: t = turning the pages. über die Zeit im Buch
… Welche Relevanz kann der Zeit im Buch zukommen? Obwohl wir meinen zu wissen, was sie ist, so sind wir doch nicht in der Lage, die Zeit wirklich zu fassen und zu definieren. „Es gibt keinen Zeitsinn in der Art, wie es zum Beispiel einen Seh- oder Gehörsinn gibt.“ Auch auf das Buch angewendet bleibt sie abstrakt. Dennoch steckt das Thema der Zeit hier an so vielen Stellen. Ich bin der Meinung, dass sie vor allem in Bezug auf das Künstlerbuch eine außerordentliche Rolle spielt. Sie kann uns helfen, dessen innere Struktur zu erfassen und künstlerische Entscheidungen zu bewerten. …
 
#12: Ulrike Stoltz: Künstlerbücher? Wie? Warum? Wo? Ein Fragebogen.
… Stichwort Minderheiten, Nischen­dasein, «Streichelzoo»: [Den schönen Begriff «Streichelzoo» fand ich bei Peter Felixberger in seinem Aufsatz «More Talent, Less Ego: Über die Kunst des Buch- und Zeitschriftenverlegens» (In: Kursbuch 184, Dezember 2015; ­Murmann, Hamburg; S. 178—184); Felixberger spricht dort vom­ «Streichelzoo der ­Meisterschreiber» (S. 181).] Die Bibliophilen (traditionelle wie moderne) waren schon immer eine Minderheit, sind also mit den Besonderheiten dieser Situation seit langem vertraut. Konkret: Bräuchten wir eine Wiederbelebung des Gedankens der «bibliophilen Gesellschaften»? Reichen Webseiten und Facebook für eine Diskussion aus? …
 
#13
Entschuldigung, aber zu dieser Nummer gibt es keine Leseprobe!